Hans Grunder malt Landschaftsbilder. Berge. Er zeigt sie in dieser schönen Ausstellung hier in Zetzwil und macht uns hiermit ein visuelles Geschenk.
Was mag einen Musiker und Pädagogen dazu bewegen sich mit unbeweglichen, stillen nach aussen begrenzten Bildflächen zu befassen? Bildflächen in welchen sich Linien, Punkte, Farbflächen bei deren Begrenzungen oft feinst ausgestaltete Konturen entstehen… Helligkeitsstufen mit Tonwerten, welche Kontraste und fliessende Übergange zeigen. Alles derart zusammengefügt, dass ein äusserlich wahrgenommenes Bilderscheinen zur Wiedergabe auf die Leinwand auf die Bildfläche tritt. Das Bilderscheinen einer naturalistischen Wahrnehmung. Einer Berglandschaft welche durchwandert, gesehen und wiedererkannt wird. Das Auge sieht. Das Begriffliche ordnet. Die zeichnende, malende Hand muss folgen!
Hans kam öfters zu mir in den Unterricht. Wir arbeiteten gemeinsam in diversen Projekten. Mühelos konnten wir auch gemeinsam mit einer ganzen Klasse zusammen Werkunterricht machen. Es gab stets ein gutes Einverständnis. Wir gingen zusammen auf Klassenfahrt. Eindrucksvoll blieb mir die Fahrt über den Thunersee in Erinnerung. Sie führte vorbei am Niessen, der sich in der glatten Wasserfläche zu einem geschlossenen geometrischen Gebilde zusammenfügte. Ich dachte an Hermes Trismegistos: „Nichts ist oben, nichts ist unten, den was unten ist ist oben.“ Welch ein Archetyp von Berg!
Nach und nach durfte ich Hans Grunder etwas besser kennen lernen. Er erzählte mir von den Bergen im Glarus, wo er aufgewachsen war. Dann der Wechsel nach der 6. Klasse in den Aargau. Seine Ausbildung am Konservatorium in Zürich. Er studierte dort die klassische Musik mit seinem Instrument, der Klarinette. Später spielte er in zahlreichen Ensembeln in klassischen Konzerten mit. In den Operetten von Möriken, Hallwil und Beinwil war er über viele Jahre praktisch immer dabei. Auf einer gemeinsamen Bilder-Ausstellung mit den Arbeiten der Schüler und Schülerinnen seiner Klasse nach dem Besuch des Alpini Museums in Bern gab es zur Vernissage mit den Kindern im Zusammenklang mehrstimmig einstudierte Lieder. Ein unvergesslicher Moment. Dahinter steckte fundiertes musikalisches und pädagogisches Können. Das Ergebnis langjähriger Erfahrung.
In die Ferien gab er mir ein Buch mit. Es hatte ihn bewegt. Als ich darin blätterte, konnte ich sofort seine Faszination begreifen: Acht Berge von Paolo Cognetti.
„…Am zweiten Tag unserer Tour tauchten am Ende des Tals die schneeweissen Gipfel auf, und erst da begriff ich, wie die Berge wohl bei der Entstehung der Welt wohl ausgesehen hatten. Sie waren spitz und scharfkantig, wie gerade erst von der Schöpfung geformt, und noch nicht von der Zeit geglättet.“ – „Ich betrachtete die baufälligen Häuser. Heute ist sicherlich niemand mehr in der Lage hier in den Bergen zu überwintern. Ich hatte Mühe mir ihre Bewohner vorzustellen. Wie konnte man sich freiwillig für so ein hartes Leben entscheiden.“ – „Das haben sie nicht freiwillig ausgesucht“, sagte mein Vater… „wenn einer in die Berge geht, dann weil man ihn im Tal nicht in Frieden lässt.“ „Und wer wohnt im Tal?“ „Chefs. Soldaten. Pfaffen. Vorgesetzte. Kommt ganz darauf an…“ – „Ein Ort bewahrt immer auch die eigene Geschichte, damit man sie bei jedem Besuch aufs Neue Revue passieren lassen kann… er kam mir vor, wie jemand, der irgendwann freiwillig auf Gesellschaft verzichtet, sich dann seinen Platz gesucht, und sich dann dorthin zurückgezogen hatte…“
Was transportieren Kinder alles an gesellschaftlichen Anforderungen in die Schulstube? Dies alles mit wachen Sinnen in Aufmerksamkeit und Zuwendung aufzunehmen, zu beobachten und begleitend, korrigierend und helfend nach Lösungen zu suchen, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Wie rasch ist hier doch ein Rückzug der Sinnestätigkeit die Folge langjähriger Praxis. Wie erstaunlich ist es, dass sich demgegenüber Hans Grunder in autodidaktischer, meditativer Arbeit der qualitativen Wahrnehmung widmet. So fügt er nun der Welt des Klanges nun die Welt von Farbe und Form hinzu und holt sich so „biografisch“ seine Heimat, die Heimat der Berge ins Vivavis, auf das Gegenüber der Leinwand.
Hierbei soll wahrgenommene Form und Beschaffenheit der aufgesuchten Berglandschaft möglichst exakt und naturgetreu wiedergegeben sein. Geleitet von Fels und Abgrund, aber auch vom Leuchten der Licht- und Schneefelder folgt der Pinsel im sensiblen Duktus seinen Intentionen. Der Wahrnehmende, der sonst ja eher der Schweigsame und Unscheinbare ist holt hier Naturerleben in den unmittelbaren Seelenraum. Mit seinen Bildern hier in der Ausstellung teilt er uns dies deutlich und liebenswürdig mit.
Vergessen wir nicht, dass es Mut braucht sich zu zeigen. Wie zahlreich sind die „Schubladen“ der Betrachter. Wie zahlreich Menschen, die vergessen, dass es immer Bessere und weniger gute Könner auf allen Gebieten gibt. Wie viele Menschen hasten durch die Welt und häufen sich äussere und innere Bilder an. In einer Bilderflut, welche überschwemmt und immerfort in Bewegung ist, ohne diese Bewegung jemals anzuhalten! Offenbaren wir uns doch etwas aus jeder Wahrnehmung. Nehmen es von aussen nach innen und tragen es wie einen Schatz als Geschenk in unserer inneren Bilderwelt mit. Mit derart geöffneten Augen die Bilder von Hans Grunder zu betrachten zu dürfen macht dankbar und lässt uns Anteil nehmen an seinem Erleben und Wahrnehmen.
So kann jedes Bild uns zum geöffneten Fenster werden. Es kann uns ermöglichen die Gabe der Anschauung zu üben. Es lässt uns teilhaben an der Beziehung zu jenen Bergen, die Hans Grunder unzweifelhaft liebt.
Roland Maier Holzknecht Januar 2020